Erster Schleier
Ich fange langsam und sehr mühsam an zu tanzen
Denn mein erster Schleier ist aus Blei und drückt
Mir auf die Schultern und er ist so reich bestückt
Mit Sternen Sonnen und dem All dem ganzen
Wahnsinnigen Gesetz Gottes, das mich wanken
Macht und mir den Atem raubt dass ich mich kaum
Bewegen kann – und klein und eng ist mir der Raum
Der Ewigkeit des Schleiers Meine Beine schwanken.
Mit einer Urgewalt an Kraft werf ich ihn endlich
Weg, er platzt in Eisentränen hin, ich bin
So viel freier schon Mein junges schönes Kinn
Streck ich stolz nach oben und mein Körper fängt sich.
Zweiter Schleier
Ich blicke auf und seh die Augen von Herodes
Gierig auf mir zittern und ganz sanft erfasst
Meine kleine weiche Hand den zweiten Schleier, fast
Gefällt mir seine Gier und ich tanze mich froh des
Zaubers den sie mir verleiht aus meinem zweiten
Schleier kindlich hochmütig erlachend der
Aus Wasser und aus Erde mir gewebt mir schwer
Um meine runde Hüfte liegt und die Gezeiten
Stürzen durcheinander überschwemmen alle
Länder die er streift – und stechend und verrückt
Wird des Herodes‘ vergewaltigender Blick
Wärs doch mein Johannes dem ich so gefalle…
Dritter Schleier
Mein dritter Schleier ist ein Vogel dessen Federn
Alle Menschen sind die mich umarmen und
Liebkosen und beweinen und mein süßer Mund
Gibt ihnen allen einen Kuss, den Müttern Vätern
Kindern und den Alten und dann packen meine
Weichen Hände alle Menschen fest am Hals
Und werfen sie dem König vor die Füße als
Hätt er sie verdient, als wären sie die seinen.
Und mein Lachen perlt in Herods weite Kehle
Und ich muss weinen als der Schleier purpurrot
Den Boden trifft, denn alle Menschen sind jetzt tot
Und ich wundere mich nur, dass ich noch fehle.
Vierter Schleier
Beweglich werden meine Schultern und ich spiele
Mit meinem vierten Schleier über meine Haut
Plötzlich will ich tanzen bis der Morgen graut
Ob ich meinem Johannes denn jetzt wohl gefiele?
Mein Körper ist so jung und schön und voller Drängen
Wie ein Hauch gleitet mein Schleier über ihn
Über meinen Bauch und meine Hüfte ziehn
Seine Bahnen, fallen leis mit den Gesängen
Die mir meine Sinne rauben mich umschmeicheln
Ich bin in mich selbst verliebt und tanze mit
Mir selbst, habe mich fest umschlungen Jeder Schritt
Lässt mich erbeben Ich beginne mich zu streicheln
Fünfter Schleier
Ich fühl das Chaos in mir und muss ganz laut lachen
Mein fünfter Schleier ist mein Anstand Ich zerfetz
Ihn lachend in eintausend Stücke Ganz entsetzt
Starrt mich meine Mutter an Herodes Rachen
Ist aufgerissen und er schluckt laut als ich meine
Beine vor ihm auseinander spreize, das
Geheimnis meines Körpers vor ihm fällt und Nass
Und Blühend meine Jugend vor ihm prangt und keine
Scham hält mich zurück Ich führe meinen Finger
Lüstern zwischen meine Schenkel, zittre, schrei
So laut ich kann Ich schreie Herodes entzwei
Ich kann alles, herrsche, bin der Weltbezwinger
Sechster Schleier
Ich beruhige mich ein wenig und gedanken-
Voll vergraben meine Nägel sich in Schmerz
Mein sechster Schleier ist mein Fleisch mein Blut mein Herz
Und er weint rote Tränen als ich spitz die Ranken
Meines Körpers mir von meiner Seele ziehe
Was bin ich noch Ein Weinen und ein Lachen Ein
Geist ein Schatten – und ein Wille, völlig rein
Nichts bin ich mehr ich bin nur ich und Tanz und Liebe
Ich fühle mich sehr hell und ruhig und endlich menschlich
Kaum berühre ich den Boden und mein Blick
Sieht endlich klar und kehrt in mich zurück
Ich bin Salome und enthülle mich jetzt gänzlich.
Siebter Schleier
Mein Siebter Schleier das bin Ich Bewegung Sinne
Und sonst nichts denn ich bin nur noch blasses Licht
Ich schwanke, lös mich auf, verschwinde – nein noch nicht
Ich sehe noch Johannes, höre seine Stimme
Für Dich für Dich hab ich getanzt nicht für Herodes
Und jetzt wird alles dunkel und alles wird leer
Ich bin müde die Gedanken werden schwer
Da ist nur noch Schwärze Schlaf ich bin des Todes
Was wollt ich noch? Ich sollte neue Kräfte schöpfen
Doch meine Kerze brennt mit einem kurzen Docht
Ich weiß nicht mehr, was ich noch wollte – – DOCH!
Ich will sehn wie sie den Dreckspropheten köpfen!